Informationen über Bio-Lebensmittel und Naturkost
Eduard Rosseau
Surgere - Frankreich
"Ihr könnt uns gar nicht verfehlen" erklärt Eduard Rosseau am Telefon. "4,5 km südlich von Surgere biegt Ihr rechts in ein Dorf ab, fahrt ganz durch das Dorf duch, und am anderen Ende seht ihr einen Friedhof. Neben dem Friedhof ist unser Hof."
Die Beschreibung trifft es punktgenau, aber ohne sie hätten wir nicht vermutet, dass dies ein Bio-Hof ist. Ein Ensemble aus alten Natursteinbauten, wunderschön restauriert und gepflegt, umgibt einen grossen Innenhof.
Das Ehepaar Rousseau lotst uns in ihre gemütliche Küche. Das verabredete Frühstück entwickelt sich zu einer multikulturellen Veranstaltung. Die üblichen Zutaten eines petit dejeuner, aber in Bio-Qualität, ergänzen sich mit unseren Mitbringseln zu einer ausgiebigen Testserie mit viel Fachsimpelei.
Wir staunen über Konsistenz und Gechmack eines Vollkorn-Baguettes, unsere Gastgeber finden Gefallen an den Dinkel-Spekulatius und lassen sich die Zutatenliste übersetzen. Sie erweisen sich als gebildete, multilinguale Menschen. Im Gespräch wird ständig zwischen Englisch, Französisch und Spanisch umgeschaltet.
Eduard Rousseau hat seinen 180 ha-Hof von seinem Vater übernommen und zu dessen Leidwesen sofort auf Bio-Anbau umgestellt. Er erzählt von einem Generationenkonflikt, wie wir ihn auch von deutschen Betrieben gut kennen.
In siebenjähriger Fruchtfolge bauen die Rosseaus Hüsenfrüchte, Legominosen, Getreide (auch Urweizen!), Sonnenblumen und Gras an. Die Schläge sind für unsere Verhältnisse geradezu gigantisch. Bei der Betriebsführung zeigt und Eduard Rousseau ein Weizenfeld von 12 ha. Im Agrarstaat Frankreich wird in anderen Dimensionen gedacht und gearbeitet.
Diesen grossen Hof bewirtschaften die Rossseaus mit nur zwei Hilfskräften. Eduard Rousseau arbeitet auch für die Erzeuger-Cooperative "CORAB", deren Mitglied er ist. Hier haben sich ca. 100 Bauern mit insgesamt 1.800 ha Land zusammengeschlossen und koordinieren vieles von der Anbauplanung bis zur Vermarktung.
Eduard Rousseau erzält von einer Informationsveranstaltung mit dem deutschen Demeter-Landwirt Manfred Wenz, einem der Pioniere der pfluglosen Bodenbearbeitung. Diese Bauern pflügen den Boden nicht, sondern ritzen ihn nur wenige Zentimeter auf, um das vielschichtige Bodenleben nicht zu zerstören. Die Argumente der Anhänger und Gegner dieser These füllen inzwischen dicke Bücher.
Wie beurteilt Eduard Rousseau diese umstrittene Technik? "Naja, Der Vortrag von Wenzwar schon eindrucksvoll. Der Mann weiss, wovon er redet. Wir haben uns an dem Abend verblüfft angeguckt und uns am Kopp gekratzt. Ich bin da offen. Wir testen das jetzt mal auf ein paar Hektar." Eduard Rousseau ist für neue Techniken grundsätzlich offen. Es dürfen nur keine Dogmen sein.
"Ich mag diese fundamentalistischen Anthroposophen nicht. Die verweisen nur auf Steiners Bücher und machen alles so, wie es darin steht. So lernen sie nie, was der Boden, die Pflanzen, die Schädlinge, das "Unkraut" ihnen über den Zustand des Ackers sagt. Sie beobachten nicht, sie reproduzieren nur. Sie lernen nichts."
Eine andere interessante Technik testet Eduard auch: Seit Jahrhunderten wird das Getreide in möglichst engen Reihen auf die Äcker gesät, um einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen. Seit einigen Jahren experimentieren einige Bio-Bauern mit erheblich grösseren Abständen bis zu 50 cm. Sie sagen, der Weizen wachse schneller und die Erträge seien höher. Also zurück zu alten, ausgestorbenen Techniken?
"Jein. Als ich hier umstellte, sagten meine konventionellen Kollegen im Dorf, ich wolle zurück ins Mittelalter. Aber bitte: Wo sind die denn fortschrittlich? Der einzige Fortschritt, den die kennen, sind stärkere Maschinen, immer ertragreichere Hybrid-Sorten, die zum Überleben immer stärkere Gifte brauchen? Ich habe ihnen gesagt, dass ich weniger Weizen Ernte, den aber auch verkauft bekomme. Sie nicht. Was haben sie von den unendlichen Ertragssteigerung? Nichts. Niemand profitiert davon. Der Boden nicht, der ausgelaugt wird, die Verbraucher nicht, die immer schlechtere Qualität erhalten. Nur die Chemieindustrie steigert Umsatz und Abhängigkeit von ihren Produkten."
Eduard Rosseau will zwei Extreme vermeiden. Einerseits die kapitalkräftigen Geschäftemacher, die jetzt immer mehr mit EG-Bio-Ware auf den Markt drängen und auch hier eine Abwärtsbewegung bei Preisen und Qualität in Gang setzen, andererseits die fundamentalistischen, konservativen Bio-Bauern, die nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass erfolgreiches Wirtschaften mehr ist, als der reine Anbau, dass Produkte auch verkauft werden müssen, damit ein Betrieb überlebt. "Eigentlich brauchen wir beide nicht. Aber wir müssen mit ihnen leben."
Deshalb engagiert sich Eduard in der Cooperative. Über die Koordination der Anbauplanung will er erreichen, dass wenigstens einigermassen gleichmässige Mengen an Produkten vermarktet werden können.
Dieser Betrieb hat uns gefallen. Eduard Rosseau kümmert sich engagiert um seinen Boden und das Umfeld, in dem er arbeitet. Er verbindet bewährtes, altes Wissen mit neuer Technik. Solche Betriebe können den Kapriolen der EG-Bürokratie und den immer stärkeren Kampf um die Absatzmärkte relativ gelassen entgegen sehen. Wir wünschen der Familie Rosseau alles Gute.