Informationen über Bio-Lebensmittel und Naturkost

Agentur-Meldungen zum Nitrofen-Skandal

Giftiges Nitrofen möglicherweise in Ökobetrieben in ganz Deutschland

Quelle: Deutsche Presse-Agentur

dpa: Sonntag 26. Mai 2002, 14:07 Uhr Hannover/Berlin Öko-Betriebe in ganz Deutschland haben monatelang Weizen an Geflügel verfüttert, der möglicherweise mit dem giftigen Unkrautvernichtungsmittel Nitrofen verseucht war. Das Agrarministerium in Niedersachsen geht davon aus, dass Fleisch und Eier von betroffenem Geflügel in den Handel gelangten und verzehrt wurden. Laut dem Öko-Verband Naturland, der die Lebensmittel zertifiziert, trifft das zumindest auf möglicherweise belastete Eier zu. Das EU-weit verbotene Nitrofen gilt als Krebs erregend. Bundesagrarministerin Renate Künast (Grüne) sprach von einem "ungeheuerlichen Vorgang".

Nach Ansicht von Landesagrarminister Uwe Bartels (SPD) handelt es sich um den größten Skandal in der deutschen Öko-Landwirtschaft. Bartels ging von rund 100 betroffenen Bio-Betrieben in Deutschland aus. Mehrere Erzeuger haben inzwischen freiwillig die Auslieferung von Eiern, Wurstwaren und Fleischprodukten gestoppt und Rückholaktionen gestartet. Etliche Bundesländer haben Überprüfungen ANZEIGE eingeleitet, mehrere Ökobetriebe wurden vorsorglich gesperrt.

Am Freitag war bekannt geworden, dass bei einem niedersächsischen Geflügelhalter im Öko-Futterweizen das verbotene Nitrofen entdeckt worden war. Bei der betroffenen Partie handele es sich wahrscheinlich um rund 100 Tonnen Ökoweizen aus Brandenburg, die schon im vergangenen Jahr geliefert und nach und nach verarbeitet wurden. Eine niedersächsische Futtermittelfirma hat den Weizen bundesweit an Naturland- und Bioland-Betriebe geliefert.

Völlig unklar ist bislang, warum die Öffentlichkeit so spät informiert wurde. Laut Naturland gab es erste Funde von Nitrofen in Geflügelfleisch "offenbar bereits Ende Januar". Künast sagte der dpa am Samstag: "Wir müssen herausfinden, wer wann wovon wusste und seiner Meldepflicht nicht nachgekommen ist." Das werde nachgeforscht "und muss dann gegebenenfalls finanzielle Sanktionen nach sich ziehen." Auch Bartels kritisierte, entgegen den Vorschriften seien staatliche Stellen viel zu spät informiert worden.

Künast sagte, ihr Ministerium habe "einen unkonkreten Hinweis" bekommen und ihn "nach eintägiger Recherche" am Donnerstag an Niedersachsen weiter gegeben. "Das Land hat dann löblich sofort untersucht." Ergebnisse lägen in einigen Tagen vor. Bartels schaltete am Freitag die Staatsanwaltschaft ein. Die Ermittler prüfen mögliche Verstöße gegen das Futtermittelgesetz sowie den Verdacht auf Betrug. Rückholaktionen seien nicht angeordnet worden. Die betroffenen Betriebe dürften ihre Produkte jedoch nicht mehr ausliefern, sondern müssten sie erst auf den Giftstoff prüfen lassen.

Politiker und der Naturland-Geschäftsführer Gerald Herrmann werteten den Vorgang am Sonntag als schweren Schlag für den Öko- Landbau. Der größte deutsche Öko-Anbauverband, Bioland, forderte eine schnelle Aufklärung, ob und in welchem Ausmaß Bioprodukte mit Rückständen belastet seien. "Unsere Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel", sagte Thomas Dosch vom Bioland- Bundesvorstand. Bartels sagte in einem dpa-Gespräch mit Blick auf den Öko- Landbau: "Der Vorfall ist in dieser Größenordnung erstmalig."

Das brandenburgische Agrarministerium will die Staatsanwaltschaft einschalten. Das kündigte Minister Wolfgang Birthler (SPD) am Sonntag in Potsdam an. Bisher gebe es aber keinen Beweis, dass das belastete Getreide überhaupt aus Brandenburg stamme. Ministeriumssprecher Jens- Uwe Schade sagte, spätestens von Montag an solle untersucht werden, ob das Herbizid wirklich in dem Brandenburger Betrieb in das Getreide gelangte und auf welche Weise.

Es sei nicht auszuschließen, dass Nitrofen durch den Boden in das Getreide kam, weil es zu DDR-Zeiten nicht verboten war, sagte Schade. Das schloss der niedersächsische Agrarminister jedoch aus. Naturland-Geschäftsführer Herrmann sagte, möglich sei auch "Sabotage".


Nitrofen angeblich Ende letzten Jahres in Babynahrung entdeckt

Quelle: Associated Press

AP: Montag 27. Mai 2002, 05:30 Uhr Berlin Die Verseuchung von Nahrungsmitteln mit dem Unkrautvernichtungsmittel Nitrofen ist laut Berliner "tageszeitung" (Montagausgabe) schon Ende letzten Jahres offenkundig geworden. Dem Blatt zufolge gelangte Nitrofen-haltiges Getreide damals in Produkte eines Babynahrungsherstellers. Diese seien dem Unternehmen Anfang Januar aus dem Verkehr gezogen worden, hieß es unter Berufung auf den Geschäftsführer des Ökolandbauverbandes "Naturland", Gerald Hermann.

Hermann wurde mit den Worten zitiert, durch das "ausgezeichnete Qualitätsmanagement" des Babynahrungsproduzenten sei man erst auf die Verseuchung aufmerksam geworden. Das Getreide habe aus der Nitrofen-belasteten Lieferung von 100 Tonnen aus Brandenburg gestammt, über die der Öffentlichkeit erst am vergangenen Freitag etwas bekannt wurde. Es sei nicht auszuschließen, dass andere Nitrofen-belastete Nahrungsmittel an Verbraucher verkauft worden seien, hieß es.

Angesichts der Nitrofen-Affäre forderte der niedersächsische Landwirtschaftsminister Uwe Bartels (SPD) die Bundesverbraucherschutz-Ministerin Renate Künast (Grüne) zum Umdenken auf. Die einseitige Agrarpolitik zu Gunsten der Ökobetriebe sei nicht gerechtfertigt, erklärte Bartels der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montagausgabe) zufolge. Es sei offensichtlich geworden, dass der Öko-Anbau durch Schludrigkeit und kriminelle Energie genauso empfindlich getroffen werden könne wie der konventionelle Bereich.

Der Präsident des brandenburgischen Bauernverbands, Heinz-Dieter Nieschke, befürchtet großen Schaden für die Ökobetriebe in seinem Land, selbst wenn sich erweisen sollte, dass der kontaminierte Öko-Weizen nicht aus Brandenburg gekommen sei. "Verbraucher reagieren sensibel, auch wenn nur ein Verdacht besteht", sagte Nieschke laut "Berliner Morgenpost" (Montagsausgabe). Er könne sich so etwas nicht erklären, denn die Kontrollen seien streng. Allerdings sei auch "sehr viel Geld im Spiel".


Skandal um Gift in Öko-Weizen weitet sich aus
Wochenendzusammenfassung

Quelle: Associated Press

AP Sonntag 26. Mai 2002, 12:58 Uhr Hannover Wegen des Skandals um Futterweizen, der mit dem krebsverdächtigen Unkrautvernichtungsmittel Nitrofen behandelt wurde, sollen zahlreiche Bio-Betriebe und deren Produkte überprüft werden. Die Kontrollen werden von Niedersachsen ausgehend auf Mecklenburg-Vorpommern und andere Bundesländer ausgeweitet. Sehr wahrscheinlich seien 100 Öko-Betriebe in ganz Deutschland betroffen, erklärte ein Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums am Samstag im NDR.

Die niedersächsische Futtermittelfirma, die 100 Tonnen nitrofen-belasteten Weizen aus Brandenburg bezogen hat, soll bundesweit Öko-Betriebe beliefert haben. Zwei ihrer Kunden in Nordrhein-Westfalen, ein Putenmast- und ein Legehennenbetrieb, waren bereits am Freitag vorsorglich gesperrt worden. Die Behörden stellten Proben von dem Futtermittel und den Produkten, darunter Eier, sicher. Wie ein Sprecher des Düsseldorfer Umweltministeriums erklärte, wird als nächstes die Kundenliste der beiden Betriebe überprüft. Betroffene Waren sollen sichergestellt werden. Erzeuger- und Vertriebsunternehmen haben ihrerseits Rückrufaktionen und Lieferstopps veranlasst.

Der belastete Öko-Futterweizen wurde schon im vergangenen Jahr aus Brandenburg an das niedersächsische Unternehmen geliefert und nach und nach verarbeitet. Nach Angaben des brandenburgischen Landwirtschaftsministeriums handelt es sich um einen Öko-Betrieb in Stegelitz (Uckermark). Dort soll am Montag untersucht werden, auf welche Weise das verbotene Unkrautvernichtungsmittel ins Getreide gelangt ist. Ein Ministeriumssprecher schloss nicht aus, dass das Nitrofen durch den Boden aufgenommen wurde.

Die Rückstände waren bei einer Eigenkontrolle des niedersächsischen Betriebs im Landkreis Vechta am 19. März festgestellt worden: pro Kilo Weizen 5,96 Milligramm Nitrofen. Das Nitrofen-Problem sei der betroffenen Öko-Organisation offenbar jedoch bereits seit Dezember 2001 bekannt gewesen, teilte das niedersächsische Landwirtschaftsministerium mit.

Die zuständigen Behörden der Länder erfuhren von dem Problem erst am vergangenen Donnerstag über einen Hinweis des Bundesverbraucherministeriums in Berlin. Dieses forderte die Landesministerien auf, die Informationspolitik der Firmen zu überprüfen und gegebenenfalls zu ahnden. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Uwe Bartels hatte am Freitag die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.