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Pressemeldung

Herbizid Nitrofen in Geflügelprodukten

Naturland fordert Konsequenzen

Gräfelfing 25. Mai 2002 Nach intensiven Recherchen bei den betroffenen Unternehmen kann Naturland jetzt genauere Fakten zu den Funden von Nitrofen in Futtermitteln und Geflügelprodukten vorlegen. Nachdem dem Verband im April erste Nachrichten von Belastungen zu Ohren gekommen waren, wurde Naturland umgehend aktiv. "Da der gesamte Ökologische Landbau ein großes Interesse an der Aufklärung hat, haben wir uns sofort eingeschaltet. Schließlich war es Naturland, der am 23. Mai den Stein ins Rollen gebracht hat, nachdem Naturland zuerst das Bundesministerium für Verbraucherschutz und dann die Öffentlichkeit informierte. Lebensmittelrechtlich gesehen aktiv werden müssen die betroffenen Unternehmen und die Lebensmittelbehörden, sie sind von Gesetzes wegen dazu verpflichtet," erklärt Naturland Geschäftsführer Gerald A. Herrmann. Betroffen sind u.a. Geflügelhalter, die von Naturland bzw. von Bioland zertifiziert sind, ein Futtermittelhersteller, der sowohl an Naturland als auch an Bioland Betriebe Futter lieferte, und mindestens ein Getreide-Erzeugerbetrieb, der keinem der Ökologischen Anbauverbände angehört, sondern nach der EU-Öko-Verordnung zertifiziert ist.

Nach den Naturland jetzt vorliegenden Unterlagen der betroffenen Unternehmen stellt sich der Ablauf wie folgt dar: Erste Funde von Nitrofen in Geflügelfleisch gibt es offenbar bei einem Verarbeiter Ende Januar 2002. Das Fleisch stammt aus der Produktion vom November/Dezember 2001. Das Fleisch wird zur Verarbeitung gesperrt, gelangt also nicht in den Verkauf. Daraufhin veranlassen die Geflügelerzeuger Untersuchungen der Wasserquelle, Impfstoffe, Futtermittel, Einstreu, Pflanzen in der Auslauffläche und Rückstellproben von Futter aus einer Anlieferung vom November 2001. Parallel dazu werden nach Angaben der Unternehmen am 28. Januar Fleisch- und Futterproben an die Bundesanstalt für Fleischforschung geschickt. Ergebnisse dieser Analysen über die Belastung von Futtergetreide mit Nitrofen liegen am 19. März bzw. 28 März vor. Der Futtermittelhersteller, so die Unternehmen, wird unterrichtet, das Fleisch bleibt weiterhin gesperrt. Alle Fleischauslieferungen werden ab sofort vorsorglich untersucht.

Kontrollstellen schalten sich ein

Am 28. März findet eine Telefonkonferenz von drei Kontrollstellen statt, die anschließend die zuständige Kontrollbehörde des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg informieren. Dazu muss man wissen, dass Öko-Betriebe im Auftrag der Verbände von unabhängigen, staatlich anerkannten Kontrollstellen kontrolliert werden. Diese Kontrollstellen haben darüber hinaus Eigenverantwortung; sie kontrollieren die Betriebe auch nach den Vorgaben der EU-Öko-Verordnung und sind in vielen Bundesländern Teil des Verwaltungsapparates mit Hoheitsfunktion. Ein Öko-Verband hat diese Funktionen nicht.

Naturland wird informiert

Erstmals Anfang April erhält Naturland telefonisch von den Vorgängen Kenntnis. Naturland fordert von den betroffenen Unternehmen umgehend vollständige Aufklärung. Zu diesem Zeitpunkt war nach Angaben einer Kontrollstelle die Kontrollbehörde Brandenburg bereits von den Vorgängen informiert. Nachdem Anfang Mai erneut Nitrofen-Rückstände in Futtermitteln gefunden werden, von denen Naturland am 16.5. informiert wird, spricht Naturland am selben Tag vorsorglich ein Kennzeichnungsverbot mit dem Naturland Zeichen für alle Produkte aus, falls Nitrofen-Rückstände in Tieren oder Produkten nachgewiesen werden. Naturland fordert die betroffenen Unternehmen auf, sowohl Naturland als auch ihre Kunden umfassend zu informieren. Am 21. Mai erhält Naturland erstmals schriftliche Informationen über Rückstandsmessungen. Nach Auswertung dieser Untersuchungen informiert Naturland am 23. Mai selbst die Futtermittelhersteller und Mühlen - auch die Speisemühlen - über die mögliche Gefahr. Naturland befragt die beteiligten Kontrollstellen, ob die Behörden informiert sind und hakt bei der Kontrollbehörde Brandenburg nach. Dort lautet die Auskunft, der Vorfall sei bekannt, genauere Auskunft könne nicht gegeben werden. Daraufhin informiert Naturland am selben Tag zuerst das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) und anschließend die Öffentlichkeit. Nach der Information durch Naturland bzw. das BMVEL schaltet der niedersächsische Landwirtschaftsminister Uwe Bartels die Staatsanwaltschaft ein.

Rückholaktion von Eiern

Nach den Naturland vorliegenden Informationen hat die Futtermühle am 10. Mai nach Bekanntwerden der Belastung umgehend Futterauslieferungen gesperrt, die Rezepturen auf unbelastete Futterkomponenten umgestellt und das möglicherweise belastete Futter von den Erzeugerbetrieben zurückgeholt. Im Folgenden wurden auch Untersuchungen in Geflügelherden vorgenommen, sowohl in Mast- als auch in Legehennenbetrieben. Tierbestände wurden nach Informationen der Unternehmen bei Belastung sofort gesperrt. Ein Unternehmen startet am 23. Mai vorsorglich eine Rückholaktion von Eiern und sperrt alle Eier-Auslieferungen und Ställe. Ein Getreide-Erzeuger-Betrieb wird als Lieferant von belastetem Getreide identifiziert. Er ist nicht Mitglied bei Naturland oder einem anderen anerkannten Verband. Am 24. Mai wird Naturland informiert, dass alle am 17./18. Mai erneut untersuchten Eiern aus den von Naturland und Bioland zertifizierten Ställen Nitrofen über dem Grenzwert enthalten. Diese Eier wurden nie ausgeliefert. Selbstverständlich bleiben die Ställe gesperrt.

Naturland fordert Konsequenzen

Naturland Geschäftsführer Gerald A. Herrmann: "Diese unglaublichen Vorfälle müssen Konsequenzen haben. Der Einsatz chemischer Unkrautvernichtungsmittel ist im Ökologischen Landbau strikt verboten. Die Belastung ökologisch erzeugter Produkte mit Schadstoffen ist für uns untragbar. Wir als Ökologischer Landbauverband haben leider selbst keine Handhabe, das ist Sache der Lebensmittelbehörden. Naturland wird aber selbstverständlich alles dazu beitragen, was in seiner Macht steht, um die Vorfälle aufzuklären. Was dahinter steckt, wissen wir derzeit nicht, es drängt sich aber der Eindruck auf, dass die beteiligten Unternehmen Opfer krimineller Machenschaften sind." Naturland fordert außerdem, dass die Nitrofen-Rückstandsuntersuchungen auf konventionell erzeugtes Futtergetreide und auf die konventionellen Speisemühlen ausgedehnt wird. Naturland Geschäftsführer Gerald A. Herrmann: "Solche Probleme wie das vorliegende mit einem Pestizid, das schließlich von der chemischen Industrie gemacht wurde, im Ökologischen Landbau verboten ist, hat der Öko-Landbau nicht zu verantworten. Trotzdem können auch Öko-Betriebe, egal ob groß oder klein und unabhängig davon, wo sie wirtschaften Opfer krimineller Machenschaften werden. Denn wie man sieht, bietet ja nicht einmal das Verbot eines solchen Mittels irgendeine Garantie. Es werden ja auch laufend neue chemisch-synthetische Agrochemikalien für den Einsatz in der Landwirtschaft entwickelt und zugelassen. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass in den vorbeugenden Verbraucherschutz mehr Geld investiert wird."

Naturland e.V.
Kleinhaderner Weg 1
82166 Gräfelfing
Tel.: 089-898082-0
Fax: 089-898082-90

Quelle: www.naturland.de