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Verbraucher-Information

Quelle: Naturland



Nitrofen in Geflügelprodukten

Was ist Nitrofen?

Nitrofen ist ein Herbizid, also ein Unkrautvernichtungsmittel. Nitrofen ist ein braunes, kristallines Pulver, das in Form von Granulat gehandelt wurde. Die Nachweisgrenze liegt bei 0,004 mg/kg. Nach der Rückstands-Höchstmengenverordnung (RHmV) v. 21.10.1999 gilt eine tolerierbare Höchstmenge von 0,01 mg/kg Lebensmittel. Chemischer Aufbau: 2,4 Dichlor-1-(4-nitrophenoxy)benzol 2,4-Dichlorphenyl-p-nitrophenylether C12H7Cl2NO3

Ist Nitrofen ein zugelassenes Mittel?

Die Anwendung von Herbiziden ist im Ökologischen Landbau generell verboten. Für den konventionellen Landbau wurde Nitrofen 1980 in der Bundesrepublik Deutschland und 1990 auch in den Neuen Bundesländern verboten. Aus diesem Grund wird auch nicht routinemäßig auf Nitrofen untersucht.

Wie wirkt Nitrofen?

Nitrofen gilt als Chemikalie, die in das Hormonsystem eingreift. Es ist ähnlich aufgebaut wie ein Schilddrüsenhormon. Nitrofen gilt als mutagen (erbgutverändernd) und steht im Verdacht, kanzerogen (krebserzeugend) zu sein. Nitrofen reichert sich bei Masttieren über die ganze Fütterungszeit im Fettgewebe an und wird nicht abgebaut. Bei Legehennen kann es in die Eier übergehen.

Welche Geflügelprodukte waren von der Belastung mit Nitrofen-Rückständen betroffen?

Nitrofen wurde in Hähnchen- und Putenfleisch bzw. -wurstwaren gefunden. Am 3. Mai wurde Naturland davon in Kenntnis gesetzt. Auch in Eiern wurde Nitrofen gefunden.

Wie hoch war die Belastung in Eiern und in Geflügelfleisch?

Die Belastung einer Eierpartie lag nach den Naturland vorliegenden chemischen Analysen bei minimal bis knapp über dem Grenzwert. Die Belastung von Hühner- und Putenfleisch sowie Putenwurst lag über dem Grenzwert.

Wie konnte es zu der Belastung mit Nitrofen kommen?

Wie das verbotene Unkrautvernichtungsmittel in das Getreide kam, will die Staatsanwaltschaft klären. Im Rückstellmuster einer Getreidepartie eines Getreide-Erzeugers wurde Nitrofen nachgewiesen. Dieser Erzeugerbetrieb ist nicht Mitglied bei Naturland oder einem anderen anerkannten Öko-Verband. Ob er ein Opfer von Sabotage wurde oder welche Machenschaften dahinter stecken, ist noch nicht geklärt.

Wieso dauerten die Tests so lange?

Nach Angaben der Unternehmen wurden Analysen in Auftrag gegeben, unter anderem wurden am 28. Januar Fleisch- und Futterproben an die Bundesanstalt für Fleischforschung geschickt. Ergebnisse dieser Analysen lagen am 28. März vor. Nach den Auskünften, die Naturland erhalten hat, dauerten die Tests deshalb so lange, weil es nach über 20 Jahren Verbot von Nitrofen gar keine Routineuntersuchung auf diesen Stoff mehr gibt. Die Labors mussten also erst wieder Testmöglichkeiten schaffen, um auf Nitrofen untersuchen zu können. Bis heute gibt es offenbar nur wenige Labors, die zu diesen Tests in der Lage sind, was die Untersuchungen verzögert hat.

Weshalb wurden Verbraucher nicht schon im Januar informiert?

Am 28. März - also nachdem die Tests vorlagen - fand eine Telefonkonferenz von drei Öko-Kontrollstellen statt, die anschließend die zuständige Kontrollbehörde des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg informierten. Naturland erfuhr von diesen Vorgängen erst im April/Mai.

Welche Maßnahmen zum Verbraucherschutz haben die Unternehmen ergriffen?

Erste Funde von Nitrofen in Geflügelfleisch gab es offenbar bei einem Verarbeiter schon Ende Januar 2002. Das Fleisch wurde bei diesem Verarbeiter zur Verarbeitung gesperrt, gelangte also nicht in den Verkauf. Das Fleisch bei anderen Verarbeitern wurde ebenfalls gesperrt bzw. zurückgerufen oder eine Untersuchung angeordnet. Die Geflügelerzeuger veranlassten Untersuchungen der Wasserquelle, Impfstoffe, Futtermittel, Einstreu, Pflanzen in der Auslauffläche und Rückstellproben von Futter. Seit Auftauchen der ersten Belastung haben die Unternehmen nach ihren Angaben laufend Futtermittel und Produkte untersuchen lassen. Nachweisbar belastete Produkte wurden gesperrt. Putenwurst, in die belastetes Fett verarbeitet wurde, wurde im April aus dem Handel zurückgerufen. Anfang Mai wurden erneut Nitrofen-Rückstände in Futtermitteln gefunden. Nach den Naturland vorliegenden Informationen hat die Futtermühle nach Bekannt werden der neuerlichen Belastung am 10. Mai Futterauslieferungen gesperrt, die Rezepturen auf unbelastete Futterkomponenten umgestellt und das möglicherweise belastete Futter von den Erzeugerbetrieben zurückgeholt. Gleichzeitig wurden auch Untersuchungen in Geflügelherden vorgenommen, sowohl in Mast- als auch in Legehennenbetrieben. Tierbestände wurden nach Angaben der Unternehmen bei Belastung sofort gesperrt. Am 23. Mai wurde von dem Legehennenbetrieb eine Rückrufaktion von Eiern aus dem Handel gestartet. Die Untersuchungsergebnisse der zurückgerufenen Eier liegen Naturland noch nicht vor. Weitere Eierchargen wurden am 17. Mai nach Angaben des betroffenen Unternehmens vorsorglich gesperrt und kamen nicht in den Handel.

Hat es Versäumnisse gegeben?

Auch wenn die Quelle der Kontamination nach derzeitigem Informationsstand ein Getreidelieferant war, bleibt die Frage, ob und in welchem Umfang Versäumnisse der Unternehmen vorliegen. Staatsanwaltschaften und Lebensmittelbehörden fällt die Aufgabe zu, etwaige Versäumnisse der Unternehmen im rechtzeitigen Rückruf von belasteten oder möglicherweise belasteten Produkten bzw. in der Sorgfaltspflicht bei Rückstandsuntersuchungen zu recherchieren, zu bewerten und ggf. zu ahnden.

Was hat Naturland unternommen?

Naturland kamen die Vorgänge erst Anfang April telefonisch zu Ohren. Naturland forderte daraufhin von den betroffenen Unternehmen umgehend vollständige Aufklärung. Zu diesem Zeitpunkt war nach Angaben einer Kontrollstelle die Kontrollbehörde Brandenburg bereits von den Vorgängen informiert. Nachdem Anfang Mai erneut Nitrofen-Rückstände in Futtermitteln gefunden werden, von denen Naturland am 16.5. informiert wurde, sprach Naturland am selben Tag vorsorglich ein Kennzeichnungsverbot mit dem Naturland Zeichen für alle Produkte aus, falls durch weitere Untersuchungen Nitrofen-Rückstände in Tieren oder Produkten nachgewiesen werden. Naturland forderte die betroffenen Unternehmen auf, sowohl Naturland als auch ihre Kunden umfassend zu informieren. Am 21. Mai erhielt Naturland erstmals schriftliche Informationen über Rückstandsmessungen. Nach Auswertung dieser Untersuchungen informierte Naturland am 23. Mai selbst die Futtermittelhersteller und Mühlen - auch die Speisemühlen - über die mögliche Gefahr. Naturland befragte die beteiligten Kontrollstellen, ob die Behörden informiert sind und hakte bei der Kontrollbehörde Brandenburg nach. Dort lautete die Auskunft, der Vorfall sei bekannt, genauere Auskunft könne nicht gegeben werden. Daraufhin informierte Naturland am selben Tag zuerst das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) und anschließend die Öffentlichkeit. Nach der Information durch Naturland bzw. das BMVEL schaltete der niedersächsische Landwirtschaftsminister Uwe Bartels die Staatsanwaltschaft ein.

Wie ist die gesetzliche Lage bei einer solchen Rückstandsproblematik?

Für Naturland ist der Verbraucherschutz eine zentrale Aufgabe. Deshalb wurde Naturland aktiv, obwohl Naturland keine Lebensmittelbehörde ist. Naturland hat die Öffentlichkeit informiert, sobald Naturland gesicherte Erkenntnisse vorlagen. Aktiv zu werden ist nach Gesetzeslage Sache der Unternehmen und der Lebensmittelbehörden. Auch werden z.B. Öko-Betriebe nicht von ihrem Verband kontrolliert, sondern im Auftrag der Verbände von unabhängigen, staatlich anerkannten Kontrollstellen. Diese Kontrollstellen haben darüber hinaus Eigenverantwortung; sie kontrollieren die Betriebe auch nach den Vorgaben der EU-Öko-Verordnung und sind in vielen Bundesländern Teil des Verwaltungsapparates mit Hoheitsfunktion. Ein Öko-Verband hat diese Funktionen nicht. Die Kontrollstellen haben die Behörden nach den Naturland vorliegenden Angaben pflichtgemäß am 28. März informiert.

Besteht eine unmittelbare Gesundheitsgefahr?

Ob eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung für Verbraucher vorliegt oder nicht, ist eine Entscheidung der zuständigen Lebensmittelbehörden. Nachdem die niedersächsische Lebensmittelbehörde keine derartige Warnung herausgegeben hat, geht Naturland davon aus, dass keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung für Verbraucher vorliegt.

Was mache ich mit Bio-Eiern, die ich jetzt im Kühlschrank habe?

Seit 17. Mai wurden von der Wiesengold GmbH keine Eier mehr in den Handel geliefert. Noch im Handel befindliche Eier wurden am 23. Mai komplett zurückgerufen. Die Wiesengold GmbH erklärte gegenüber Naturland: "Falls Sie ältere Eier der Wiesengold GmbH ("Tiemann's Bio-Ei", "Grüne Wiesen Biohöfe") haben, können Sie sie zurückbringen. Wiesengold erstattet den Kaufpreis."

Kann ich den Bio-Geflügelprodukten trauen, die ich jetzt neu kaufe?

Seit Mitte März wurde nach Angaben der Unternehmen alle Frischware von Puten- und Hühnerfleisch rückstandskontrolliert. Es gelangte nach den Naturland vorliegenden Informationen nur einwandfreie Ware in den Handel. Die Vorfälle mit der Rückstandsbelastung durch Nitrofen sind ein singuläres Ereignis, dass nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen nur eine einzige Futtermühle betraf. Die Legehennen-, Mast- und Verarbeitungsbetriebe haben reagiert und belastete Waren entweder für den Verkauf gesperrt oder möglicherweise belastete Produkte vorsorglich aus den Läden zurückgerufen. Derzeit werden von vielen Unternehmen eigene Beprobungen sowie von den Behörden angeordnete Beprobungen durchgeführt, um jedes weitere Risiko auszuschließen. Verbraucher können nach wie vor den Öko-Produkten vertrauen.

Kann ich auch in Zukunft Bio-Produkte kaufen?

Es ist jetzt so wichtig wie nie, dass sich Verbraucher für Öko-Produkte entscheiden. Durch welche kriminellen Machenschaften auch immer das Nitrofen in Produkte gekommen ist, letztendlich ist der Öko-Landbau hier Opfer. Solche Probleme wie das vorliegende mit einem Pestizid, das schließlich von der chemischen Industrie gemacht wurde und im Ökologischen Landbau immer schon verboten war, hat der Öko-Landbau nicht zu verantworten. Wie man sieht, bietet nicht einmal das Verbot eines solchen Mittels Sicherheit. Es werden ja auch laufend neue chemisch-synthetische Agrochemikalien für den Einsatz in der Landwirtschaft entwickelt und zugelassen. Naturland fordert deshalb die Umstellung der Landwirtschaft auf den Ökologischen Landbau, der auf solche Agrochemikalien vollständig verzichtet, und mehr Investitionen in den vorbeugenden Verbraucherschutz.