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Reisebericht Spanien

Bergdorf Abrucena

 Bild: Abrucena in der Sierra Nevada in Andalusien

Zwischen den Gebirszügen der Sierra Nevada hängen viele Bergdörfer an den Bergflanken wie Vogelnester an Kirchen. Winzige Gässchen, die eher für Esel als für Autos ausgelegt sind, schlängeln sich zwischen den eng aneinandergedrängten Häusern durch.

Eines dieser Dörfer ist Abrucena in der Provinz Almeria. 1200 Einwohner, eine Kirche, ein halbes Dutzend Kneipen und einige Geschäfte blinzeln in die Welt und scheinen allmählich erstaunt festzustellen, dass schon wieder ein neues Jahrtausend angebrochen ist.

Hier leben und denken die Menschen noch in kleinen Zusammenhängen. Wer schon mal in Granada war, kann was von der Welt erzählen, wen es mal in die Hauptstadt Madrid verschlug, gilt als weitgereist.

Die Menschen haben sich noch einen hohen Anteil Subsistenzwirtschaft bewahrt. Vom Wein über Käse bis zum Schinken produzieren sie alles selbst, was die kargen Berghänge hergeben. Rinderhaltung ist in Südspanien fast unbekannt. Für die Milchproduktion sind die Ziegen zuständig, die sich noch einige Familien halten.

Auch das traditionelle "Matanza" im Dezember wird noch gepflegt. Dann treffen sich die Familien des Dorfes, und verarbeiten je ein gut gemästetes Schwein. Die Männer rasieren und schlachten die Tiere, die Frauen nehmen sie aus und teilen sie. Hier gilt noch das Prizip, dass möglichst jedes Teil des Tieres eine sinnvolle Verwendung findet.

Wie in vielen anderen Dörfern, werden auch hier statt der Geburtstage die Namenstage gefeiert.

Auf kleinen Parzellen, teilweise noch in Terassen an den steilen Berghängen, bauen sie an, was sie für ihre Küche brauchen. Gemüsebeete und Obst werden mit Ziegenmist gedüngt.

Fremde fallen sofort auf. Fremde sind alle, die nicht zum Dorf gehören. Ein ausländisches Autokannzeichen wird in Windeseile zum Thema im Dorf. Auf der Suche nach unseren Gastgebern verfahren wir uns prompt im dem Labyrinth der Gässchen. Als sich eines davon als finale Sackgasse entpuppt, fragen wir zwei Alte nach dem Haus der Familie. Der Nachname löst Skepsis aus. Was wir denn von denen wollten? "Besuchen", sagen wir leicht irritiert. "Aha? Ich bin Latorre Martìnez!" sagt einer der Alten. "Aber ich erwarte keinen Besuch." Es stellt sich heraus, dass das halbe Dorf diesen Nachnamen führt. Wir klappern die möglichen Zweige der Familie und die Vornamen ab. "Ah!" sagt der Alte, "Ihr meint die Latorre Martìnez, deren Tochter einen Ausländer zum Freund hat." - "Genau!" sagt mein Begleiter. "Und das bin ich." Ungefähr in diesem Moment waren wir im Dorf angekommen.

 Bild: Blick auf die Schneebedeckte Sierra Nevada

Während eines gemeinsamen Frühstücks auf der Terrasse einer Kneipe nutzen die Kinder des Dorfes die Gelegenheit, Fremde zu besichtigen. Bei leckerstem, mildem Ziegenkäse und Schinken in einer bei uns ausgestorbenen Qualität betrachten wir die Parade der Bauern auf Eseln, teilweise mit Ziegen an der Leine, auf dem Weg von und zu den Feldern. Man hat Zeit.


 Bild: Blick auf die schneebedeckte Sierra Nevada

Auch von den Erwachsenen ernten wir erstaunte Blicke. Nur langsam wird uns klar, warum. Die von der Sonne und Wärme verwöhnten Andalusier können nicht verstehen, dass wir, die wir einen anderen Wintern kennen, 12° C und Sonnenschein als warm empfinden und uns in warmer Kleidung zum Frühstück auf der Terrasse niederlassen, um die Aussicht auf die schneebedeckte Sierra Nevada mit ihren bis zu 3600 m hohen Gipfeln zu bewundern.

Ein Lautsprecher durchbricht die Stille mit einer unverständlichen Durchsage. Die Einheimischen unterbrechen ihre Arbeit und hören zu. Einige kommen aus den Häusern, um besser zu verstehen. Dies ist eine hier völlig übliche Kommunikationsform. Alle Termine und Ereignisse, die für das ganze Dorf interessant sind, werden über diesen Lautsprecher oben am Kirchturm verbreitet.

Zu unserer Verblüffung hat ein Kleinlaster einen Weg durch die Gässchen gefunden. Wo ein Auto im Weg steht, hupt er kurz, der Besitzer kommt mal eben raus und es wird solange hin und her rangiert, bis es passt. Man hat viel Zeit.

Der Kleinlaster bringt eine Fuhre Brennholz. Wohin damit? Die Häuser stehen dicht an dicht, die Strasse ist sehr schmal. Zu schmal. Kein Problem: Das Holz wird auf die Stasse gekippt, an der nächsten Abbiegung wird ein "Durchfahrt verboten"-Schild malerisch auf dem Gässchen plaziert. Wer jetzt hier durchfahren will, hat Pech gehabt. Kein Problem: Man fährt dann eben andersrum. Der Empfänger wird das Holz schon in den Keller tragen. Später. Man hat sehr viel Zeit.

Infiziert von dieser unendlichen Geduld, tuckern wir auf der mit Serpentinen gespickten Strasse wieder runter ins Tal, zurück in unser Jahrhundert.

Text: Maria del Mar Latorre Martìnez, Rainer Kersten
Fotos: Maria del Mar Latorre Martìnez

Diese Reise wurde gesponsort von der Pizzeria da Paolo.