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Reisebericht Spanien
Die Wohnhöhlen von Guadix
"Guck mal! Da sind Kamine auf dem Berg!" In der Nähe von Guadix bietet sich uns ein merkwürdiges Bild. Winzige Häuser sind an die Hänge kleiner Hügel geklebt, auf den Hügeln stehen Kamine. Manche qualmen tatsächlich. Wir fahren hin und sehen uns das genauer an.
Hier wird noch eine sehr alte Wohnkultur gepflegt. Die Häuser sind kaum mehr als Fassaden, und die eigentlich Wohnungen sind als Höhlen in den Berg gehauen. Wir besteigen einen der Hügel, schauen in die Runde mit den kleinen weissen Kaminen und Fernsehantennen, und es wird klar: So ungefähr muss es auf dem Mars aussehen. Beim klettern über die Hügel steigen wir den Menschen buchstäblich aufs Dach. Wir können sogar riechen, was sie kochen.
Die Kreisstadt Guadix hat gut 20.000 Einwohner, 3.000 bis 5.000 davon leben in ca. 2.000 Wohnhöhlen.
Link: Infos über Guadix (englisch)
Diese Art zu wohnen treibt auch merkwürdige sprachliche Blüten. Wo Kalle Klopotowski in Gelsenkirchen sagt: "Ich baue hinten noch ein Zimmer an.", sagt der Höhlenbesitzer von Guadix: "Ich haue mir noch ein Zimmer." Die Höhlen werden auch wie normale Immobilien gehandelt.
Das Lössgestein ist einerseits stabil genug für diese Art von Architektur, andererseits ohne Maschineneinsatz relativ leicht zu bearbeiten. Natürlich gibt es einige handwerkliche Grundsätze zu beachten, damit nicht plötzlich ein Durchbruch zum Nachbarn entsteht, oder aus dem Kamin ein nicht geplanter Dachgarten wird.
Einige Höhlenbau-Künstler haben interessante Konstruktionen geschaffen. Einer haute sich von seiner Höhle aus eine Wendeltreppe mehrere Etagen nach oben, bis auf den Berg und schuf sich eine Dachterrasse. Er hätte natürlich auch so auf den Berg klettern können, aber wer will das schon?
Vor einigen Jahren fanden viele Bewohner allmählich die moderne Stadtbauweise mit Zentralheizung und technischer Infrastruktur interessanter, verkauften ihre Höhlen und zogen in richtige Häuser. Die Höhlenpreise erreichten einen Tiefpunkt auf dem Immobilienmarkt. Etliche Aussteiger, Freaks und Zugereiste ergriffen die Chance. So entstand ein bunt gemischtes Völkchen in diesem Teil von Guadix.
Inzwischen haben die Weggezogenen bemerkt, dass Höhlen einige Vorteile bieten, die sie in Häusern nicht haben. Der Umgang mit akustischen Emmissionen von Nachbarn soll z.B. sehr anders sein. Nunja... Was ist eine simple Mauer auch gegen einige Meter Stein? Und keine Klimaanlage kann einen Berg ersetzen.
Einige haben auch Nebenhöhlen, die sie gegen geringes Entgelt zur
Besichtigung freigeben, oder als Urlaubswohnung vermieten.
Link: Höhlenvermieter
Link: Höhlenhotel
Die Eigentumsverhältnisse an den Häusern, den Fassaden, sind klar. Die in den Höhlen nicht ganz. Es nicht abschliessend geklärt, wem die Berge gehören. Es kann auch der Staat sein. Die Bewohner nehmen es gelassen. Es ist auch kaum zu erwarten, dass irgendeine Behörde diese Touristenattraktion durch Paragraphenjongliererei zerstören wird.
Text: Rainer Kersten
1. Foto: www.altipla.com
2.+3. Foto: Maria del Mar Latorre Martìnez
Diese Reise wurde gesponsort von der Pizzeria da Paolo.